Verfasst von: dieTauschlade | 8 April 2012

spiegelungen

Verdammt. Petrus verwischte sein Spiegelbild in der Waschschüssel. Er konnte sich selbst nicht mehr ins Gesicht sehen.
Vor ein paar Tagen noch hatte er keine Probleme damit. Er war mit sich und der Welt und vor allem mit Jesus im Reinen – ab und zu hatte es mal Probleme gegeben, aber insgesamt war er zufrieden. Er hatte Jesus als Freund, ja er begeleitete ihn schon fast drei Jahre, und jeden Tag entdeckte er wieder etwas Faszinierendes und Neues an ihm. Und – je länger er mit ihm unterwegs war, desto weniger Angst hatte er in brenzligen Situationen gehabt, vor denen er früher schnell weg gerannt wäre. Aber mit Jesus an seiner Seite war vieles einfacher; zumindest war es durch Jesus leichter, bestimmte Situationen durchzustehen und zu bewältigen.
Und dann die Sache vor zwei Tagen. Nie wieder wird er diesen Blick vergessen. Dabei war er so fest davon überzeugt gewesen, dass er diesmal nicht versagen würde. Dieses Mal würde er keine Angst haben, so wie damals, als er über das Wasser zu Jesus lief und auf halben Wege unterging. Oder im Sturm, als das Boot zu sinken drohte und Jesus in letzter Minute den Sturm und das Wasser besänftigte. Jesus hatte ihm zwar gesagt, dass er, Petrus, ihn drei Mal verleugnen würde, aber er hatte das eher als Ansporn genommen. Dieses Mal wollte er es ihm zeigen. Zeigen, dass er aus seinen früheren Fehlern gelernt hatte, und dass die drei Jahre, die er mit Jesus schon unterwegs gewesen war, ihre Spuren und Erfahrungen hinterlassen hatten.
Petrus trocknete sich sein Gesicht ab und aß ein paar Feigen. Er musste sich jetzt einen Plan zurecht legen, wie er möglichst schnell und vor allem auf sicherem Wege Jerusalem verlassen konnte. Was hielt ihn schon noch hier? Und außerdem hatte er Angst. Ja, er – Petrus – hatte Angst. Jetzt konnte er es zugeben und, wie früher auch, weglaufen. Es war sowieso alles zu spät. Vor zwei Tagen, als die Frau und später noch zwei weitere Männer ihn angesprochen und gefragt hatten, ob er nicht „zu diesem Gotteslästerer und Hochstapler“ gehören würde, da hätte er sich seiner Angst und den Menschen um ihn herum stellen und sagen sollen, dass er, genau er, zu Jesus gehörte. Dass er sein Freund war.
War. Jetzt war Jesus tot. Am Kreuz eines grausamen Todes gestorben und mittlerweile begraben. Und er, Petrus, konnte nichts, rein gar nichts mehr erklären und wieder gut machen. Er hatte Jesus enttäuscht – wie schon so oft – doch jetzt war dieser nicht mehr zur Stelle, um ihm zu sagen und zu zeigen: Es ist in Ordnung Petrus. Du hast Fehler gemacht, Du hast mir nicht vertraut, aber es tut dir leid und es ist erledigt. Lass uns zusammen weitergehen.
Petrus erhob sich und packte seine Sachen zusammen. Es war nicht viel – in Jesu Begleitung waren die meisten Dinge unwesentlich geworden. Sie, die Weggefährten und Jünger Jesu, oder besser die früheren Weggefährten, wollten sich nochmals in einem kleinen Haus mitten in Jerusalem treffen. Beratschlagen. Petrus lachte bitter auf. Was hatten sie noch zu beratschlagen? Wer an irgend etwas Schuld war? Wer mit wem ins Heimatdorf zurück kehren würde? Oder wollten sie womöglich abwarten, ob nicht vielleicht doch…? Ob Jesus, wie er gesagt hatte…? Petrus gab sich einen Ruck. Nein, das war zu unwahrscheinlich. Hätte Jesus wirklich die ganze Sache mit dem Kreuz auf sich genommen, wenn er sowieso auferstehen würde? Doch bei Jesus konnte man sich nicht so sicher sein. Petrus Herz schlug schneller und auch seine Schritte vergrößerten sich.
Was, wenn er Jesus doch nochmals auf dieser Erde begegnen würde? Wenn er ihm nochmals in die Augen blicken und mit ihm reden könnte? Über die ganze Sache, und dass es ihm so furchtbar leid tue. Ob Jesus so wie früher reagieren würde – lächeln und sagen: „Petrus, ich weiß, dass du Fehler gemacht hast, und ich weiß auch, dass du in deinem Leben noch viele Fehler machen wirs. Aber ich liebe dich trotz aller Ecken und Kanten, die du hast! Auch wenn du mal stolperst oder fällst – mir ist es wichtig, dass du mir nachfolgst und mit mir gehst. DU bist mir wichtig!“
Petrus bückte sich. Eine Feige war ihm im Rennen hinunter gefallen. Als er sein Spiegelbild in einer Pfütze sah, lächelte er sich zu.

frei nach Johannes 2o,19


Antworten

  1. Schön erzählt!

    Liebe Grüße

  2. …eine bibel in erzählform, aus der sichtweise der menschen die dabei waren, das wäre was…

    danke, dass du dir immer mal wieder eine geschichte herausgreifst und sie mit so viel empathie aufschreibst!


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